Nach zwei Wochen unterwegs in China hat man sich schon etwas an die ganz anderen Umstände, Lebensbedingungen und Regeln gewöhnt. Manche von uns begannen sogar schon, chinesische Angewohnheiten anzunehmen. Doch sind wir am Anfang fast nicht aus dem Staunen herausgekommen. An jeder Strassenecke ist uns wieder etwas Neues, etwas Fremdes, etwas Aussergewöhnliches aufgefallen. Wir haben überladene Dreiräder, herunterhängende Kabel oder schlecht übersetzte Plakate (Chinglish) fotografiert und darüber geschmunzelt. Dieser letzte Eintrag widmet einigen dieser vielen grösseren und kleineren (kulturellen) Eigenheiten und Unterschieden Chinas zur Schweiz.
Foto: Yasemin Willi im "Toutist Bookstore"
Schon am Flughafen leuchten sie einem entgegen, die für uns unverständlichen chinesischen Zeichen. Sie sind überall und pflastern ganze Hochhäuser voll. Wären nicht die wichtigsten Schilder zumindest in Shanghais Touristenzentren auch in Englisch geschrieben, würden wir überhaupt nichts verstehen. Dass wir uns teils nicht einmal mit Englisch durchschlagen konnten, hinterlässt bei manchen mulmige Gefühle im Magen. Andererseits kann man sich in China trotz Sprachbarriere erstaunlich sorgenarm durchschlagen. Dies schreibe ich vor allem der freundlich neugierigen und hilfsbereiten Art der meisten Chinesen zu. Manchmal zahlen wir Langnasen einfach etwas mehr als die Einheimischen, denn Geschäftsleute sind die Chinesen trotz oder gerade mit ihrer Freundlichkeit allemal.
Einmal in der Metropole angekommen, ist es der chaotische Verkehr, in welchem keine Gesetze, sondern das Recht des Flinkeren gilt, welcher rote Köpfe verursacht. Alle möglichen Fahrzeuge, vom Dreirad des einfachen Bürgers, über das elektrischen Motorrad bis zum Luxuswagen, alle fahren auf der gleichen Spur. Nicht einmal das Trottoir ist den Fussgängern überlassen, wenn es sich für andere Verkehrsteilnehmer als günstig erweist. Und weil die Stadt im Verkehr zu versinken drohte, wurden die wichtigsten Verkehrsachsen mit Hochstrassen ergänzt. Aus dem Taxi hat man von dort einen herrlichen Blick in die Wohnungen der nahen Hochhäuser oder über die älteren niedrigeren Siedlungen.
Foto: Hochstrasse in Shanghai bei Nacht
Trotz Glamour, Lightshows und beeindruckenden Wolkenkratzern, auch im modernen Shanghai sind noch Spuren des alten Chinas erkennbar: Mancherorts hängen die Stromkabel wirr durcheinander für alle sichtbar über der Strasse, andernorts wird der Strassenrand beliebig zur offenen Abfallhalde umfunktioniert, bis sie eine Person des städtischen Putzpersonals wieder wegräumt. In den alten Quartieren, manchmal sogar an den Wolkenkratzern, sind Wäscheleinen mit allerlei Kleidern zu erkennen und Strassenhändler verkaufen auch mitten in der Nacht noch ihre Nudeln oder Reisgerichte. Von diesen kleinen uns neuen Anblicken gäbe es noch unzählige zu benennen. Nicht nur Gegenstände, sondern auch Sitten fallen auf: Männer, die ihre T-Shirts bis unter die Brust hochkrempeln und so herumlaufen, fit gebliebene Senioren, die im Park früh morgens Gymnastik betreiben oder Qi Gong üben, schlürfende Nudelsuppenesser oder chinesische Freunde, die nach dem Essen um die Rechnung streiten. Und nicht nur in den Restaurants, auch auf den Strassen, in den Shopping Malls oder zu Hause geht es oft sehr laut zu und her.
Foto: Old Town in Shanghai
China hat seit Jahrhunderten Erfahrung in der Führung und Lenkung von Massen. Dies ist uns u.a. an der Expo eindrücklich vor Augen geführt worden. Infrastrukturen waren bewusst auf riesige Besuchermengen angelegt, auch wenn man bei den einzelnen Pavillons dennoch lange anstehen musste. Diese anderen Skalen, in welchen sich China bewegt, werden bei vielen Projekten ersichtlich: Erstens: Was auf dem Reisbrett für 800‘000 Personen geplant wurde, wird danach als anfangs gigantische Geisterstadt umgesetzt. Danach können die Leute aus dem überfüllten Shanghai in die neue Satellitenstadt strömen. Zweitens: All die vielen Chinesen möchten arbeiten und Geld verdienen. Darum fallen uns immer die vielen, sehr arbeitsintensiven, eher ineffizienten Organisationsformen in Geschäften oder Restaurants auf. So können ganze vier Angestellte damit beschäftigt sein, einer einzigen Person ein paar Sportschuhe zu verkaufen. Beim heutigen Stand der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung braucht China diese Arbeitsplätze noch, der Staat hat hier eine grosse soziale Verantwortung. Drittens: Die riesige Anzahl Arbeitskräfte, die China zur Verfügung steht, ist wiederum ein grosser Vorteil für das Land. So können Projekte mit unglaublicher Geschwindigkeit umgesetzt werden, wenn dies denn von den wichtigen Stellen so entschlossen wurde. Pudong oder Suzhou’s neue Zentren sind da nur zwei Beispiele dafür.
Foto: Umgang mit Menschenmassen: Der Zugang zum EXPO-Gelände erinnert an Viehgatter
Foto: Das Modell des neu angelegten Suzhou Industrial Parks
Foto: Neue Wohngebiete in China
„laowai“ – In China sind wir immer Ausländer. Dass wir anders als die 1.4 Mia. Chinesen sind, haben sie uns immer wieder spüren lassen. Gerade als Gruppe haben wir immer mal wieder die Blicke auf uns gezogen. Manchmal wurde uns ein „Chellou“ hinterhergerufen. Und beim Souvenir shoppen mussten wir immer arg um die Preise feilschen, weil diese für Ausländer sowieso höher angelegt werden. Doch sind uns die Menschen freundlich gesinnt, helfen gerne und wollen vielleicht auch mal etwas über dich wissen. In ihren Augen haben wir wohl vieles, wonach sie streben. Der zunehmende Einfluss Amerikas ist nicht nur an Fastfoodketten wie KFC oder McDonalds zu erkennen, sondern auch an den vielen amerikanischen Produkten (DVDs, Kosmetik, Kleider, Musik, etc.) die den chinesischen Markt zusehends überfluten.
Fotos: Die Präsenz von Fastfoodketten und global agierenden Handelsketten ist unverkennbar in China
So anders uns China erscheinen mag, so spannend und eindrücklich ist es. Dieses Land mit seiner uns fremden Kultur vermag zu faszinieren und begeistern. Ich bin überzeugt, dass wir alle in diesen zwei Wochen ganz viel gelernt haben, nicht nur über China sondern auch von China. Denn obwohl das Reich der Mitte mit seiner Entwicklung teilweise immer noch in den Kinderschuhen steckt, so hat es uns in anderen Bereichen schon lange überholt oder Eigenheiten entwickelt, die es so nur dort gibt. Diese Exkursion hat uns die Möglichkeit geboten, einen kleinen Teil dieser uns sehr geläufigen (Made in China) aber doch fremden, anderen Welt zu entdecken, aber dennoch Gemeinsamkeiten zu erkennen und unsere Beobachtungen in Verbindung zu setzen mit unserer europäischen Realität. Die vielen Einblicke, die wir erhielten, sind keine Selbstverständlichkeit, aber eine umso grössere Bereicherung für alle von uns! Darum hier zum Schluss ein herzliches Dankeschön an den geduldigen Organisatoren und talentierten Tourguide Daniel Fäh!
Christina Willi
(Fotos: Heike Mayer)