Am Morgen setzten wir die Fahrt im Bus Richtung Leipzig fort.
In einer Feriengartensiedlung in Machern, versteckt unter einem Bungalow, betraten
wir einen 1989 von der Öffentlichkeit entdeckten Stasi-Bunker. Hier hatte die
Stasi 1968 eine Kommandozentrale für den regionalen Führungsstab errichtet. Uns wurde bewusst, wie paranoid sich die Stasi
zu Zeiten der DDR verhielt und welche Bedeutung der Machterhalt zu Zeiten der
DDR hatte. Die Infrastruktur zielte darauf ab, die Kommunikation in allfälligen
Krisensituationen mit äusserst modernen
Anlagen aufrechtzuerhalten.
Die absurden und perfiden Methoden der Stasi und deren
Auswirkungen auf die Bevölkerung wurden uns am Nachmittag, während der
Stadtführung nachvollziehbar vor Augen geführt. Gerade der Ort in / um die
Nikolaikirche in der Leipziger Innenstadt weist heutzutage anhand verschiedener
Symbole darauf hin, wie wichtig dieser Ort für die Geschichte und die Identität
der Bevölkerung Leipzigs bzw. des ehemaligen Ostens ist. Ein fassförmiger
Brunnen, an dessen Rändern das Wasser überläuft, steht dafür, dass 1989 „das
Fass voll war“ und eine soziale Bewegung entstehen konnte, die sich für „ein
offenes Land mit freien Menschen“ einsetzte. Eine palmenförmige Säule, die den
Trägern in der Nikolaikirche nachempfunden ist, steht für die
Entstehungsgeschichte der sozialen Bewegung, die aus den montäglichen
Versammlungen zum Friedensgebet in der Nikolaikirche hervorgingen und
schliesslich nach aussen eine Mobilisierung der Massen gegen das Regime in Gang
setzte, die sich auf andere Städte der DDR übertrug.
Interessant ist die Aussage, dass sich die AnhängerInnen rund
um die rechtsextremen Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (in Leipzig: LEGIDA) an diesen Ort nie „trauen“ würden.
Selbst wenn sich die DemonstrantInnen über „Montagsdemonstrationen“ auf die
Geschichte berufen, ist die Zuschreibung des Ortes mit Freiheit und Frieden bzw.
Wiedervereinigung verbunden und steht für die Offenheit und die Kraft zur
Veränderung, die sich nicht missbrauchen lässt.
Umgenutztes Tapetenwerk in Leipzig (Foto: Martin Warland)
Die Bedeutung der Identität der LeipzigerInnen wurde auch am
letzten Standort im tapetenwerk sichtbar. Das tapetenwerk ist ein im Jahr 2007
aus einer ehemaligen Industriebrache hervorgegangenes ökonomisches Kultur- und
Kreativzentrum. Die Abgrenzung zum für die Kultur- und Kreativwirtschaft bekannten
Hot-Spot Berlin wurde in der Führung durch die Werkstätten von der Eigentümerin
über das Selbstbewusstsein betont. „Es gibt nicht nur Berlin, Leipzig ist auch
wer.“ Leipziger sind stolz auf sich und ihren Beitrag zur Geschichte der
Wiedervereinigung und sie wollen ihre Stadt vorwärts bringen. Die Offenheit und
die vorhandene Kraft zur Veränderung einzutreten, versuchen sie nun teilweise
auch kommerziell zu nutzen und aus den Ruinen der Geschichte etwas Neues zu
kreieren.
Fabienne Herzog und Andreas Gerber
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