An
diesem Tag verliessen wir pünktlich Berlin, standen jedoch leider eine Stunde
im Verkehrsstau fest. Als wir dann das stillgelegte Braunkohletagebauwerk
Lichterfeld F60 in der Region Lausitz erreichten, erhielten wir eine sportliche
Führung über die Förderbrücke, die zu unserem Glück noch nicht gesprengt worden
war und von einem Förderverein zu einer BesucherInnenattraktion umgewandelt
wurde. Der Tagebau wurde 1988 errichtet, war jedoch nur 13 Monate in
Betrieb, da nach der Wende ein postkommunistischer Transformationsprozess auf
verschiedenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ebenen eintraf.
Einerseits litt die Braunkohleindustrie an Absatzschwierigkeiten, da Öl und Gas
als neue Energieträger aus dem Westen auf den Markt kamen. Anderseits gab es in
der Region Lausitz noch 4 andere Tagebauwerke, die immer noch in Betrieb sind.
Die Transformation ist im Raum an dem übriggebliebenen 330ha grossem Restloch,
das bereits mit Wasser geflutet wurde, der Infrastruktur und der
Renaturierung der umliegenden Flächen
sichtbar.
Besichtigung des Braunkohletagebauwerks Lichterfeld (Foto: Martin Warland)
Gestärkt
durch ein typisch ostdeutsches ArbeiterInnen-Gericht, nämlich Kartoffelsuppe
mit Bockwurst, fuhren wir weiter Richtung Osten mit einem kurzen Zwischenstopp
bei dem aktiven Tagebau Welzow, wo wir die eindrückliche Landschaftsveränderung
durch Braunkohleförderung hautnah beobachten konnten.
In
Hoyerswerda angekommen, erhielten wir eine interessante geschichtliche und
wirtschaftliche Stadtführung von einer Vertreterin des städtischen
Raumplanungsamts. Diese Stadt ist geprägt von einer raschen Bevölkerungszunahme
durch die Eröffnung eines Braunkohlenkraftwerks namens „Schwarze Pumpe“ im
Jahre 1955. Alle Hoffnung wurde auf diesen Industriezweig gesetzt und man baute
innert kürzester Zeit viele Wohneinheiten mit funktionalem Unterbau. Anfangs
der 50-er Jahre betrug die Bevölkerung 18‘000 EinwohnerInnen, die bis um 1980
ums 4-fache wuchs. Dann begann jedoch ein Schrumpfungsprozess, der sich mit der
Wende noch verstärkte. Heute zählt Hoyerswerda nur noch 34‘000 EinwohnerInnen.
Die
Wende leitete verschiedene Transformationsprozesse ein und hatte Folgen auf
allen gesellschaftlichen Ebenen. Einerseits verlor der Braunkohlensektor an
Wichtigkeit, was einen Verlust von Arbeitsplätzen bedeutete. Andererseits wurde
auf politischer Ebene die Nachbarstadt Cottbuss zum regionalen Zentrum erwählt,
womit die Fördermittel in diese Stadt flossen. Zudem hielt die fehlende
Identität mit der Arbeitsstadt viele auf der Suche nach Arbeit oder Heimat vor
der Abwanderung nicht zurück. Angesichts der vielen leerstehenden Wohnungen,
welche der Stadt gehörten, wurde ein Rückbauungsprozess der am Stadtrand
gelegenen Wohnkomplexen eingeleitet. Die zurückgebauten Flächen sind heute
bereits grüne Aufforstungsflächen. Nur noch ein paar einzelne Betonstrassen,
Häuser und Einkaufszentren erinnern an die einst dagewesenen Wohnkomplexen.
Es
scheint jedoch, dass die Stadt bis heute immer noch unter einem schlechten
Image leidet, sei dies wegen einer Arbeitslosigkeit von 19% oder dem Ruf von
Rechtsextremismus. Insgesamt versucht die Stadtplanerin im Schrumpfungsprozess
jedoch auch etwas Positives zu sehen und meint: „Eine kleine Stadt kann auch
schön sein. Man muss nicht immer schneller, grösser und besser sein.“ Mit einem
Bürgerbeteiligungsprozess versucht die Stadtverwaltung nun vermehrt die
Interessen der BürgerInnen in die Stadtentwicklung miteinzubeziehen. Auch
wollen sie in Zukunft mit Stadtmarketing das schlechte Image aufbessern.
Am
Abend im Dresdner Szenenquartier eingecheckt, gingen wir zum Abschluss des
Tages im Restaurant „Planwirtschaft“ essen, wo bei der Bestellung zwar nicht
alles nach Plan lief, jedoch die Diskussionsatmosphäre besonders fruchtbar war.
Sybille
Vogel und Mirjam Bühler
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